Ho Chi Minh City: Auf den Spuren der vietnamesischen Phở
Deutschland war lange eine Wüste, wenn es um das Thema asiatisches Essen ging. Am Anfang war die chinesische Nudelbox. Und danach lange erstmal gar nichts mehr. Viele haben solche Fastfood-Becher mit viel Glutamat als gesunde Alternative zum Burger oder der schnellen Pommes gesehen, und dachten sich, huch, wie exotisch, so chinesische gebratene Nudeln. Man muss nicht in China gewesen sein, um zu wissen, dass diese Nudeln-To-Go mit China so viel zu tun haben, wie Lederhosen mit jedem Deutschen. Irgendwo hat man sie vielleicht schon mal gesehen – zwischen Tourinepp und Volksverarsche. Aber mit dem richtigen China haben sie halt so gar nichts zu tun. Pho? Kannte damals noch niemand – heute unvorstellbar.
Als das Sushi kam, haben viele ebenfalls AAAAH und OHHHH gerufen – und bis heute denken viele, die California Roll stamme tatsächlich aus den Tiefen Japans. Tut sie aber nicht. Alles erfunden in den USA – das oftmals ebenfalls angebotene Nigiri kommt echtem Sushi am nächsten. So langsam haben dann auch Thai Gerichte, Udon-Nudeln, Ramen und vietnamesische Leckereien ihren Weg in deutsche Mägen erobert. Vielerorts noch immer seeeehr eingedeutscht. Aber es gibt hier und dort tolle Beispiele, dass landestypische Küche aus den unterschiedlichen asiatischen Nationen auch gut gemacht werden kann; so, als säße man eben in Hanoi oder Tokio oder Chiang Mai während man sich die exquisiten Köstlichkeiten des jeweiligen Landes auf der Zunge zergehen lässt.
Irgendwann kam sie, die Pho. In Berlin auf einmal Trendgericht Number One neben dem ebenfalls in Vietnam beheimateten Sandwich Banh Mi, war sie aus den Straßenküchen, Restaurantklitschen, Edel-Asiaten und Foodmärkten nicht mehr wegzudenken. Der Hipster an sich rümpft heute noch ein wenig angewidert die Nase, wenn der Neu-Zugezogene das kräftige Rindfleischsüppchen beim falschen Namen nennt – nämlich Pho mit einem langen O anstatt dem nasalen Ton, der fast ein bisschen wie ein Ä klingt. Und doch vereint uns alle die Liebe zu Omas hausgemachter Brühe mit vietnamesischem Flair.
Wir, Maren und Marvin, waren in Saigon – pardon Ho Chi Minh – unterwegs und haben gemeinsam mit Vu von Saigon Street Eats nicht nur richtig viel über Pho gesprochen und lamentiert, sondern auch richtig, richtig gute gegessen. Aber seht selbst:
Die Pho – richtige Schreibweise Phở – ist eine traditionelle Suppe auf Basis von Rindsknochen aus der vietnamesischen Küche. Man streitet sich bis heute, Vu jedoch ist Anhänger der Theorie, dass das Wort eine Verwandtschaft zum französischen Pot-au-feu hat.
Ursprünglich ist die Pho Bo ein Frühstücksgericht; heute wird sie vor allem in den Großstädten aber zu jeder Tages- und Nachtzeit gegessen und auch bei Touristen und in sämtlichen andere Großstädten und kulinarischen Hotspots wird sie gern und viel bestellt, gekocht und gegessen. Die kräftige Knochenbrühe, die traditionell mindestens 24 Stunden gekocht werden muss, enthält neben den Geschmack gebenden Rindsknochen auch dünne Scheiben Rindfleisch oder teilweise auch Hühnerfleisch, dann heißt sie jedoch Phở Gà, wobei das zweite Wort für Art und Zubereitungsweise des Fleisches steht. Eine Rinds-Pho, bei der das Fleisch nicht schon beim Kochen gart, sondern erst danach in der Brühe gar zieht, nennt man Phở Tái. Weitere Bestandteile des Nationalgerichts sind Zwiebel- und/oder Lauchringe, viel frischer Koriander, Zweige von Minze, rote Chilis in Scheiben, Pfeffer, üppige Limettenspalten und nahrhafte Fischsauce, sowie in Südvietnam auch vietnamesisches Basilikum (ähnlich dem Thai-Basilikum) und knackige Mungbohnenkeime. Die Zubereitungsart kann variieren, vor allem zwischen Nordvietnam und dem Süden des Landes gibt es große Unterschiede.
Der Norden Vietnams, der vielerorts als Geburtsort der Pho gilt, hat mehr chinesische Einflüsse und serviert tendenziell eine hellere, etwas weniger gewürzte und damit auch weniger intensive Knochenbrühe. Im Süden Vietnams kann es schon mal sein, dass die Pho eine fast schon dunkelbraune Farbe besitzt und sehr sehr divers und kräftig schmeckt. Hier finden oftmals Nelken, Zimt und vielerlei andere Gewürze ihren Weg in die Brühe, außerdem werden die Rindsknochen vor dem Verkochen vielerorts noch auf dem Grill oder auf Holzkohle geröstet, so dass der Geschmack und das Aroma noch intensiver wird.
Mit einer Schüssel Pho vor der Nase wird eine Markthalle zum Zuhause: Die warme, nahrhafte Suppe, die lauten Gespräche, so viel Herzlichkeit und so viel echtes Vietnam um uns herum – und Vu, der grinst und allwissend nickt: Einmal richtige Pho, nur noch richtige Pho.
Wer Asien kennt und mag, liebt sie, die kleinen Gässchen die es auch in den Supermetropolen des Kontinents zu entdecken gibt. Für viele wirken die Märkte im ersten Kontakt ein wenig schmuddelig, improvisiert und ärmlich; doch sie gehören zum Stadtbild und sind oftmals die Orte, wo man am besten und am günstigsten einkaufen kann. Fleisch und Fisch werden oft nahezu ungekühlt angeboten, die Arten der Verkaufsstände sind vielfältig: Eier ab Motorroller, Gemüse von kleinen Deckchen auf denen ältere Damen sitzen und Fisch aus dem Eiswasser eines winzigen Marktstandes direkt an der vielbefahrenen Straße.
Das Treiben hier ist bunt, vielfältig und vor allem freundlich. Als Tourist wird man an einigen Stellen neugierig beäugt, an anderen freundlich aufgenommen und darf jede Menge Neues probieren, einfach weil es den Menschen Spaß macht, ihre Kultur und Kulinarik näher zu bringen. Ho Chih Minh – oder Saigon, wie die Stadt früher hieß – hat viele dieser unauffälligen Einkaufsmöglichkeiten zu bieten und sie sind das Paradies von Vu, dem Pho-Experten bei Saigon Street Eats. Er schlängelt sich behände durch die Gässchen, drängt sich gleichermaßen bestimmt wie vorsichtig an den anderen Marktbesuchern vorbei, ohne sie zu stören, und weiß genau, bei wem er welche Zutat am günstigsten und besten bekommt.
Ich weiß noch, wie mich meine Marktbesuche bei meiner ersten Asienreise mit 19 gestresst haben: Alles war laut, anders, hektisch, so viele Gerüche, Eindrücke, Farben. Heute habe ich eine innere Ruhe, die mich alles mit Abstand betrachten lässt. Wir schlendern gemächlich durch das Gewusel, probieren hier, entdecken dort, freuen uns über die Andersartigkeit im Kontrast zu unserem blitzsauberen, regelbelegten Deutschland.
Mit einer Schüssel Pho vor der Nase wird eine Markthalle zum Zuhause: Die warme, nahrhafte Suppe, die lauten Gespräche, so viel Herzlichkeit und so viel echtes Vietnam um uns herum – und Vu, der grinst und allwissend nickt: Einmal richtige Pho, nur noch richtige Pho. „Wir sehen uns wieder“, sagt er zwinkernd. Wie recht er hat.
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