Christopher Kümper & das SCHWEIN: Wein- & Gin-Bar x Fine Dining
Christopher Kümper macht in seiner weißen Kochjacke mit den stahlblauen Augen und den dezenten, geschmackvollen Tätowierungen auf dem Arm optisch ordentlich was her – das aber wird im Schwein berechtigt zur absoluten Nebensache: Der Mann kann nämlich auch richtig was! Wer überzeugt werden will, der sollte sich bei dem Anfangdreißiger an den Tisch setzen und sich verwöhnen lassen: Was Kümper im Schwein auf den Tisch bringt, überzeugt durch Raffinesse und klassischen Ansatz gleichermaßen.
In der Wein- und Gin-Bar in Berlin Charlottenburg gibt es sowohl kleine Snacks als auch feste Menüs – wer Fan von guter Küche ist wählt definitiv letzteres, um sich ein umfassendes Bild von Kümpers Können zu machen. Nach seiner Zeit bei Tausendsassa Nils Henkel und Stationen in New York und Singapur hat es den charismatischen Koch zurück auf deutschen Boden verschlagen – und das, ohne viel Aufsehen zu erregen. „Wir sind bewusst nicht mit meinem Werdegang und den dort verzeichneten Namen an die Presse gegangen oder haben mich bei der Eröffnung in den Mittelpunkt gestellt“, erzählt Kümper bei einem Besuch in dem gediegen aber dennoch modern gestalteten Gastraum. „Ein Team muss sich erst einspielen; wir wollten ausprobieren, wohin genau die Reise geht und unseren eigenen Stil manifestieren.“ Das scheint gelungen, aktuell gilt das Schwein als eine der angesagtesten Entdeckungen am Berliner Markt. Anfangs war das Schwein in Mitte beheimatet, nach dem Umzug nach Charlottenburg erstrahlt es nun dort in neuem Glanz auf altem, hohen Niveau. Ende des Jahres 2016 war es von Gault Millau mit 15 Punkten ausgezeichnet worden, eine Ehre die Christopher und das Team sehr freute – aus der Szene vernahm man jedoch hinter vorgehaltener Hand schon damals die Meinung, das seien zu wenig Punkte und das Schwein damit zu schlecht bewertet – aber, Platz nach oben ist immer und geredet wird sowieso.
Es geht uns vor allem darum einen Wohlfühlcharakter zu kreieren. Wir wollen clever und mit Sinn kochen – ohne auf Teufel komm raus irgendwie fancy zu sein
Im Schwein findet man vor allem eine große Bar: Eine Bar, die Feinstes im Glas serviert und zwar in etlichen unterschiedlichen Versionen, Wein, Champagner, Highballs der Extraklasse. Der Gast kann zwischen sage und schreibe 103 Ginsorten wähle – wenn das mal nicht dauern kann ;-). Im eher dunkel gehaltenen Gastraum befinden genügend Sitzplätze für einen heiteren Abend unter Freunden. Die Speisekarte ist relativ übersichtlich gehalten und wechselt alle sechs bis acht Wochen – Saisonalität wird im Schwein groß geschrieben. Und trotz des tierischen Namens: Auch der Vegetarier wird auf der sorgsam bestückten Karte fündig.
Im Schwein steht der Gast im Mittelpunkt: Er soll einen tollen Abend mit Freunden verbringen, das Lokal zufrieden und satt verlassen. Kümper hält sich bewusst im Hintergrund. „Es geht uns vor allem darum einen Wohlfühlcharakter zu kreieren. Wir wollen clever und mit Sinn kochen – ohne auf Teufel komm raus irgendwie fancy zu sein“, sagt Christopher. Das merkt man auch der Karte an: Die Gerichte punkten mit dem gewissen Etwas, wirken aber nicht überladen oder so, als habe man gewollt unendlich viele Komponenten miteinander kombiniert. Bei den Stammgästen beliebt und auch für mich ein echter Knaller ist das hauseigene Tartar mit Estragon. „Das lieben unsere Stammgäste“, weiß Kümper. Die sind alterstechnisch komplett durchmischt, es kommen ältere Gastroliebhaber ebenso wie viele junge Foodies. „Seitdem Social Media so ein Riesending ist, trägt sich natürlich auch viel darüber weiter und erreicht noch mal eine ganz andere Zielgruppe“, ist Christopher sich bewusst. Das Vier-Gänge-Menü kommt mit 65, das Fünf-Gänge-Menü mit 75 Euro daher, die kleinen Weingerichte sind im Preis-Leistungsverhältnis ebenfalls angemessen. Mein persönliches Highlight bei meinem Besuch: Die Gänseconsommé mit Rilette-Dumpling. Unfassbar würzig und lecker; die filigrane Teigtasche gibt dem eher klassischen Wintergericht einen klaren asiatischen Touch und viel Raffinesse.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland ist Christopher vor allem eins aufgefallen: „Die Fine Dining Küche in Deutschland, vor allem in Berlin, ist eine ganz andere Hausnummer. Berlin, das ist auf die Fresse. Das ist Ausprobieren, anders sein, da sein.“ Dennoch kommt er mit seinem eher klassischen Ansatz gut an – solides Essen mit dem gewissen Etwas punktet auch bei den Berlinern. Die Konkurrenz ist groß, aber es ist eben auch ein Miteinander. „Ich bewundere Kollegen wie die Jungs von Nobelhart und Schmutzig, die sich selbst immens eingrenzen und dennoch so tolle Dinge zaubern“, sagt Kümper ohne Neid. „Außerdem bewundere ich jeden, der es schafft, sein Konzept zu realisieren ohne einen großen Investor dahinter zu haben. Ich ziehe den Hut vor Läden, die sich komplett selbst tragen.“
Schwein, Mommsenstraße 63, 10629 Berlin
Reservierungen: 030 24 35 62 82
Hauptgerichte ab 23 Euro, Vorspeisen/Zwischengänge ab 13 Euro.
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